Liebe Gotte
Ich schreibe Dir voller Freude und mit viel Liebe. Mir geht es gut, zurzeit sind die Semester-Examen. Natürlich habe ich immer etwas Angst, denn in einigen Fächern bin ich nicht so stark. In 3 Monaten sind die Staatsexamen, die alle Schüler der 11. Klasse absolvieren müssen. Das ist dann die Reifeprüfung. Obwohl wir hier im Heim sehr gut darauf vorbereitet werden, ist es doch immer eine grosse Spannung und die Nerven spielen manchmal verrückt.
Ich habe gehört, dass eine internationale Vereinigung den guten Studenten, die englisch und französisch studieren möchten, Stipendien gibt um in Kanada zu studieren. Seither träume ich von dieser Möglichkeit. Ich werde darum kämpfen, die besten Noten zu haben. Es wäre so schön, studieren zu können. Aber zuerst werde ich arbeiten müssen, denn ich will nicht, dass meine Mama mir helfen muss. Denn egal wie sehr ich mir dies wünsche, so weiss ich doch, dass sie in Armut lebt. Zudem haben mir die Schwestern hier im Heim alles mitgegeben, damit ich vorwärts kommen kann.
Am 24. September bin ich 18-jährig geworden. Aber jedes Jahr habe ich das Gefühl, ich sei noch kleiner. Niemand will mir mein Alter glauben. Alle meine Geschwister scheinen älter. Aber was soll’s, es ist ja kein Problem. Mit etwas Absätzen an den Schuhen kann ich das ja auch lösen, ha ha ha. …
Ich habe hier ganz tolle Freundinnen, sie sind so lieb und fröhlich und verstehen mich. Zusammen sind wir wie eine Familie, jedes einzelne ist wichtig und wir können auch die Schwestern in ihrer Arbeit unterstützen. Denn wir sind ein Beispiel für die jüngeren. Sie betrachten uns als ihre älteren Schwestern und das verpflichtet.
Jetzt muss ich den Brief beenden und zurück zum Studium gehen. Es gibt eine harte Prüfung in der spanischen Sprache. Mir gefällt es immer, Dir zu schreiben. Hoffentlich kann ich Dir das nächste Mal berichten, dass ich gute Noten erzielt habe. Ich hoffe, dass es Dir gut geht und dass Dich mein Brief freut. Ich bete immer für Dich.
In Liebe, Dein Patenkind Leidy